Wildblumen - wieso regional?

 

Einheimische Wildblumen und die Ökologie

In der Schweiz verschwinden artenreiche Wildblumenwiesen leider stetig. Dies liegt daran, dass wir immer mehr Gebäude bauen und die Landwirtschaft immer intensiver wird. Mit der Anzahl an solchen Wildblumenwiesen schrumpft auch die Artenvielfalt unserer einheimischen Flora und Fauna. Das heisst, es gibt immer weniger natürlich vorkommende einheimische Pflanzen und Tiere. Doch, wieso ist das ein Problem?

Beginnen wir von vorn. Unsere Tierwelt hat sich im Laufe der Zeit an die einheimische Flora gewöhnt, sie dient vielen Tierarten als Nahrungsgrundlage und Lebensraum. Exotische und durch Zucht veränderte Pflanzen sehen vielleicht schön aus, unsere Tiere können damit aber nichts anfangen. Einheimische Wildblumen sind auch die Grundnahrung verschiedenster Insekten wie z.B. verschiedener Schmetterlingsarten oder Wildbienen. 

 

Insekten als Bestäuber

Viele Insekten sind wichtige Bestäuber. Fast 99% aller Blütenpflanzen und 75% aller Getreidearten sind abhängig vom Bestäubungsprozess - ein Grossteil dieser Bestäubung erledigen Insekten. Die Bestäubung ist einerseits wichtig für den Erhalt der Wildblumen, weil die Bestäubung der Fortpflanzung dient. Ohne Bestäubung können Pflanzen keine Nachkommen erzeugen und der Bestand der Pflanzen nimmt ab.

Andererseits ist es wichtig, dass Nutzpflanzen bestäubt werden, weil sie ansonsten keine Früchte produzieren können – und unser Nahrungsangebot würde kleiner werden. 

 

Anchusa mit Biene

Anchusa mit Biene

 

Bedrohte Insektenarten

In der Schweiz sind verschiedene Insekten vom Aussterben bedroht. Ein prominentes Beispiel ist die Wildbiene. Der Begriff Wildbiene kann irreführend sein, er beinhalten nämlich verschiedenste Unterarten, welche allesamt wildlebend sind, d.h. nicht in Kulturen gehalten werden und nicht lediglich «eine Biene». Zwei Beispiele von Wildbienen sind die Erdhummel und die Wollbiene. Die Honigbiene zählt nicht zu den Wildbienen, weil diese in Mitteleuropa nur noch in Kulturen vorkommt.

Wildbienen sind als Bestäuber extrem wichtig, da sie einen Grossteil aller Wild- und Kulturpflanzen bestäuben. Die Ansprüche dieser fleissigen Tierchen sind gross – einige von ihnen mögen nur einige wenige Wildblumen. Zu den wichtigsten Wildpflanzen für die Wildbienen gehören unter anderem Wiesenlöwenzahn, Klee, Weiden, Glockenblumen, Wegwarten und Disteln. Um sich fortpflanzen zu können, benötigen die Tiere eine grosse Menge an Pollen, weshalb die Zahl an Wildblumen nicht zu stark sinken darf. Auch ausreichend Nistplätze in geringer Distanz zu den Nahrungspflanzen sind für die Wildbienen wichtig.  

 

Bombus terrestris Vera Buhl

Dunkle Erdhummel (Bombus terrestris) von Vera Buhl auf adobestock

 

Insekten auf dem Speiseplan 

Insekten sind aber nicht nur als Bestäuber, sondern auch direkt als Nahrungsquelle relevant. Sie sind ein wichtiger Teil fast jeder Nahrungskette. Sie stehen nämlich auf dem Menüplan von Fischen, Vögeln, Fledermäusen und Amphibien. Diese wiederrum stehen auf dem Speiseplan anderer Tiere. Ein Rückgang von Insekten könnte also zu einem Populationsrückgang jener Arten führen, die weiter oben in der Nahrungskette stehen. 

 

Insekten als Abfallverwerter

Gewisse Insekten wie z.B. der Mistkäfer helfen fleissig mit, abgestorbenes Pflanzenmaterial abzubauen. Dies tun sie, indem sie das Material zersetzen, welches ansonsten in Exkrementen, abgestorbenen Pflanzen oder Aas gebunden und somit nicht verfügbar wäre. Durch diesen Prozess werden dem Boden wichtige Nährstoffe zurückgegeben. Somit werden die Bodenfruchtbarkeit und die Humusbildung positiv beeinflusst. Hiervon profitiert wiederum die Landwirtschaft. 

 

Daniel Chetroni

Mistkäfer von Daniel Chetroni von adobestock

 

Insekten im Kampf gegen Schädlinge

Es gibt Insekten, welche gerne Schädlinge fressen. Diese sogenannten Raubinsekten (oder Nützlinge) ersetzen also auf natürlichem Weg Pestizide. Somit sinken einerseits die Ausgaben der Landwirt*innen, andererseits müssen weniger Pestizide eingesetzt werden, was der Umwelt guttut. Diese Nützlinge werden mittlerweile auch gerne als Pflanzenschutz in Gärtnereien oder daheim eingesetzt – sie arbeiten quasi mit uns zusammen. Als Biobetrieb ist das für uns sehr wichtig, weil wir bewusst und aus Überzeugung auf chemischen Pflanzenschutz verzichten

 

Exkurs: Ökotypen

«Als Ökotypen werden Untergruppen einer Art bezeichnet, die im Vergleich zu anderen Populationen der gleichen Art eigene genetisch fixierte ökologische Ansprüche an ihre Umwelt stellen.» - Wikipedia

Diese Definition bedeutet heruntergebrochen, dass sich Individuen derselben Pflanzenart von Region zu Region unterscheiden. Eine Wiesen-Flockenblume, die am Meer wächst, ist z.B. weniger frostbeständig als eine, die in den Bergen gedeiht. Diese Unterschiede sind im genetischen Bauplan der Pflanzen verankert und in verschiedenen Pflanzenmerkmalen sichtbar. Die Pflanzen variieren vielleicht in der Anzahl Blüten und dem Blühzeitpunkt.

Verschiedene Pflanzen sind also genau an den Standort, an dem sie vorkommen angepasst. Diese Anpassungsfähigkeit erhalten bereits über die Erbinformationen, welche ihnen von ihren Eltern mitgegeben wurden. So können sich Sämlinge am besten an jene Umweltbedingungen anpassen, die ihre Eltern bereits gekannt haben. 

Aus diesen Gründen verwenden wir bei der Wildblumen GmbH vorrangig Ökotypen aus dem Rheintal. Wir führen ein Buch über die Herkünfte unserer Samen im sogenannten Kulturordner. Wir arbeiten daran, die Samenherkünfte bald online für euch zur Verfügung zu stellen.  

 

 

Einheimische Wildblumen und wir Menschen

In der Natur gibt es viele einheimische Pflanzen, welche für uns Menschen geniessbar sind – entweder direkt oder in verarbeitetet Form. Dazu gehören, um nur einige wenige Beispiele zu nennen, verschiedene Lauchsorten, Brombeeren, Sauerampfern, Erdbeeren, Hopfen und Malven.

Für lange Zeit bildeten Wildpflanzen die wichtigste Nahrungsgrundlage für die Spezies Mensch. Heute der Genuss von solchen Wildpflanzen jedoch nur noch den wenigsten bekannt. Dies aufgrund stark ausgebauter, gut vernetzter Märkte und einer bestehenden Überproduktion – alles ist in Migros, Coop, Aldi und Lidl jederzeit erhältlich. Somit ist die Bevölkerung nicht mehr von alternativen Nahrungsquellen wie eben den Wildpflanzen abhängig. Dabei hegen Wildpflanzen laut verschiedenen Studien viele Vorteile gegenüber Kulturpflanzen. Sie verfügen über mehr Omega-3-Fettsäuren, Antioxidantien, Mineralstoffe, Vitamine und Eiweisse. 

 Allium lusitanicum 6  Rumex
Allium lusitanicum - Berg-Lauch Rumex - Ampfer
Hopfen1 Malva sylvestris
Humulus lupulus - Hopfen Malva sylvestris - Wilde Malve 

 

Ein weiterer Einsatzbereich von Wildpflanzen ist die Pflanzheilkunde («Phytotherapie»). Diese gilt als die älteste Form der Heilkunde und war bereits im Mittelalter, im alten China und in Indien bekannt und beliebt. Viele verschiedene Wildpflanzen verfügen über Inhaltsstoffe, welche krankheitsvorbeugend und gesundheitsfördernd wirken. 

 

Die Feinde einheimischer Wildpflanzen

Wildpflanzen haben Feinde… die Neophyten! Das sind Pflanzen, die in Gebiete eingeführt werden, wo sie natürlich nicht vorkommen. Während es in der Schweiz über 3000 Pflanzenarten gibt, sind 500-600 davon Neophyten. Ich habe im ersten Satz etwas übertrieben… nicht alle Neophyten sind Feinde unserer Wildpflanzen, nur ein kleiner Teil davon. Die meisten Neophyten sind nämlich harmlos und gut in ihre Umgebung integriert. Andere jedoch verbreiten sich so stark und schnell, dass sie unsere einheimischen Pflanzen vertreiben.

Solche sehr konkurrenzstarken Neophyten werden als «invasive Neophyten» bezeichnet. Diese invasiven Neophyten sind die eigentlichen Feinde unserer Wildblumen. Ihre hohe Konkurrenz- und Verbreitungsfähigkeit verdanken sie der Tatsache, dass sie keine natürlich vorkommenden Feinde haben. Auch gibt es keinerlei Krankheiten, von welchen sie befallen werden können. 

Invasive Neophyten und deren Einführung sollte verhindert und die Bestände bereits verbreiteter Arten kontrolliert und beseitigt werden. Es gibt auch invasive Neophyten, welche vom Bundesrat verboten wurden. Was das genau heisst? Das bedeutet, dass diese Pflanzen nicht verkauft oder gepflanzt werden dürfen.

 

Der Bundesrat hat im Jahr 2022 eine Liste mit verbotenen Neophyten herausgegeben (die Fotos stammen von efbs.admin.ch). 


 Bildschirmfoto 2023 04 25 um 08.05.50 Ambrosia artemisiifolia  Aufrechtes Traubenkraut, Ambrosie 
Bildschirmfoto 2023 04 25 um 08.05.59 Crassula helmsii Nadelkraut 
 Bildschirmfoto 2023 04 25 um 08.06.07 Elodea nuttalli  Nuttalls Wasserpest 
Bildschirmfoto 2023 04 25 um 08.06.13 Heracleum mantegazzianum Riesenbärenklau 
 Bildschirmfoto 2023 04 25 um 08.06.20 Hydrocotyle ranunculoides Grosser Wassernabel  
Bildschirmfoto 2023 04 25 um 08.06.26 Impatiens glandulifera  Drüsiges Springkraut 
Bildschirmfoto 2023 04 25 um 08.06.32

Ludwigia spp.
(L. grandiflora, L. peploides)

 Südamerikanische Heusenkräuter 
Bildschirmfoto 2023 04 25 um 08.06.37  Reynoutria spp. Asiatische Staudenknöteriche 
Bildschirmfoto 2023 04 25 um 08.06.42 Rhus typhina Essigbaum
Bildschirmfoto 2023 04 25 um 08.06.48 Senecio inaequidens Schmalblättriges Greiskraut
Bildschirmfoto 2023 04 25 um 08.06.53 Solidago spp. Amerikanische Goldruten


 

 

Also... einheimische und in der Region vorkommende Pflanzen können mindestens genau so schön, dekorativ und abwechslungsreich sein wie ihre exotischen Verwandten. Sie bringen aber unserer Flora und Fauna so viel mehr als Pflanzen aus fremden Ländern oder Gebieten. Je regionaler, desto besser. Ihr findet eine grosse Auswahl ausschliesslich einheimischer Wildblumen und -stauden in unserem Onlineshop oder bei uns in der Gärtnerei. Hier dürft ihr jederzeit gerne vorbeikommen und mit uns über regionale Wildblumen plaudern 😊.

 

 

 

 


Quellen:

https://www.nationalgeographic.de/tiere/2020/06/5-wichtige-aufgaben-von-insekten-und-was-in-einer-welt-ohne-sie-passieren-koennte

https://www.infoflora.ch/de/neophyten/neophyten.html

https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2008/614/de#annex_2

https://www.efbs.admin.ch/inhalte/dokumentation/Publikationen/Broschuere_Invasive_Pflanzen.pdf

https://www.pflanzenforschung.de/de/pflanzenwissen/journal/renaturierungen-augen-auf-bei-der-pflanzenwahl